Parlament erhöht die Franchisen der Krankenkassen

Kranke müssen sich künftig stärker als bisher an den Kosten beteiligen. Das Parlament will insbesondere die tiefste Franchise von 300 Franken regelmässig nach oben anpassen – je nach Kostenentwicklung in der Krankenversicherung.

Der Nationalrat hat am Donnerstag als Zweitrat eine entsprechende Motion gutgeheissen, mit 129 zu 54 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Der Bundesrat wird somit beauftragt, das Krankenversicherungsgesetz anzupassen.

Im Visier hat das Parlament vor allem die tiefste Franchise von heute 300 Franken, die sogenannte Standardfranchise. Eine Erhöhung führe dazu, dass Versicherte in Bagatellfällen mit einem Arztbesuch eher warten und weniger häufig unnötige medizinische Leistungen in Anspruch nehmen, zeigte sich eine Ratsmehrheit überzeugt. «Wer sich in einem höheren Umfang an den Kosten beteiligen muss, überlegt es sich eher, ob der Gang zum Arzt nötig ist, oder ob bei einer Bagatelle auch Abwarten und Teetrinken eine Möglichkeit wäre«, sagte Kommissionssprecherin Regine Sauter (FDP/ZH).

Auf diese Weise könne das Kostenwachstum in der obligatorischen Krankenversicherung gebremst werden, zeigte sich eine Ratsmehrheit überzeugt. Jeder Beitrag zur Dämpfung des Kostenwachstums sei zu begrüssen und rasch umzusetzen. «Damit die Krankenkassenprämien bezahlbar bleiben, müssen wir die Eigenverantwortung stärken», sagte Kommissionssprecher Raymond Clottu (SVP/NE).

Eine Minderheit zweifelte daran, dass höhere Franchisen zu mehr Eigenverantwortung führten – und lehnte den Vorstoss ab. Stattdessen würden niedrige und mittlere Einkommen stärker belastet. Es sei verheerend, wenn Menschen aus Kostengründe auf einen Arztbesuch verzichteten, sagte Barbara Gysi (SP/SG). Zudem sei die Eigenbeteiligung der Versicherten an den Gesundheitskosten im europäischen Vergleich bereits am höchsten.

Auch der Bundesrat hat sich gegen die neue Regelung ausgesprochen. Die Regierung sei ebenfalls für mehr Eigenverantwortung, betonte Gesundheitsminister Alain Berset. Aber der Vorschlag der Motion bringe nichts. Denn schon heute überprüfe der Bundesrat die Franchise regelmässig. Seit 1996 habe sich die tiefste Franchise mehr als verdoppelt. Der selbsternannte Experte Felix Schneuwly kann sich sogar vorstellen, dass die tiefste Franchise auf 3000 Franken erhöht würde (Interview kann hier nachgelesen werden).

Jetzt will das Parlament ausgerechnet die Schwächsten bluten lassen: die Kranken! Diese sollen künftig einen grösseren Teil der Kosten selber tragen. Die Franchisen sollen nämlich regelmässig der Kostenentwicklung bei der obligatorischen Grundversicherung angepasst werden. Im Visier haben die Politiker insbesondere die tiefste Franchise – die sogenannte Standardfranchise, die aktuell 300 Franken beträgt.

Die bürgerliche Mehrheit verspricht sich davon eine Kostensenkung. Die saloppe Argumentation: Wer mehr selber zahlen müsse, überlege sich eher, ob er wirklich zum Arzt gehen oder abwarten und Tee trinken soll.

Im Ernst? Die vermeintliche Einsparung berappen jene, welche sich für eine Mindestfranchise entscheiden, weil sie am stärksten auf unser Gesundheitswesen angewiesen sind: chronisch Kranke, Senioren und Arme. Die werden künftig nicht nur über höhere Prämien, sondern auch über höhere Franchisen zusätzlich belastet. Dabei ist die Eigenbeteiligung der Versicherten an den Gesundheitskosten bei uns im europäischen Vergleich bereits jetzt am höchsten.

Aber einmal mehr die Versicherten zu rupfen, ist halt viel einfacher, als sich mit der Pharmabranche, den Ärzten oder der Krankenkassenlobby anzulegen. Zumal ja einige unserer Politiker noch ein Verwaltungsratsmandat in einer Krankenkasse haben.

Meine ersten Vorschläge wären ganz einfach umzusetzen:

  • Verbot der Werbung von Krankenkassen – jährlich werden Millionen an Prämiengeldern für Werbung verschwendet.
  • Verbot von Makleraufträgen – geheime Listen belegen: Krankenkassen bezahlen Versicherungsmaklern für das Anwerben neuer Kunden enorme Provisionen. Jährlich werden Millionen an Prämiengeldern für solche Provisionen verschwendet.
  • Senkung der Medikamentenpreise – die Margen in der Schweiz sind viel zu hoch, jedes Jahr zahlen wir ca. 458 Millionen Franken zu viel.
  • Senkung der Managerlöhne der Krankenkassen – es kann nicht sein dass mit unseren Prämiengeldern fürstliche Löhne an die Manager und die Verwaltungsratsmitglieder bezahlt werden (Bsp. 939’000 Franken Lohn für Helsana-Chef Daniel Schmutz).
  • Höherer Selbstkostenbeitrag bei Bagatellen bei Arzt- und vor allem Notfallkonsultationen im Spital  – ich habe selbst schon erlebt wie Eltern mit Ihren Kleinkindern im Notfall waren, weil ihr Kind einen Schnupfen hatte.
  • Arztzeugnis darf erst ab dem dritten Krankheitstag vom Arbeitgeber gefordert werden – viele müssen zum Arzt gehen, auch wenn Sie nur einen Tag mit Grippe zu Hause bleiben, da es der Arbeitgeber so verlangt.

Noch einfacher wäre natürlich eine Einheitskasse. Dies passt aber unseren Krankenkassen und unseren Krankenkassen-Lobbyisten im Bundeshaus nicht.

 

Quellen: 20min, Blick, Kassensturz, Stiftung für Konsumentenschutz, Tagesanzeiger

 

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